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29.01.2020
Es ist die optimale Förderung, wenn man seinem Kind ermöglicht, sich musikalisch zu entwickeln und zu bilden. Schon Säuglinge lassen sich von Musik beruhigen oder auch aktivieren. Lieder sind eine langsamere Form der Sprache. Sie lauschen der Melodie und werden so dazu animiert, die eigene Stimme zu benutzen. Ihre Sprachentwicklung wird gefördert.
Grundschüler, die in kleinen Gruppen Instrumente spielen, haben ein besseres Wortgedächtnis und tun sich somit beim Übertritt an weiterführende Schulen leichter. Außerdem ist Singen eine Art Lachen in Zeitlupe – da werden Kinder immer zum Mitmachen angeregt.
Musik kann die Stimmung innerhalb von Sekundenbruchteilen verändern. Sie kann die Seele erheben, Mitgefühl, Freude und Ekstase erzeugen und das Herz aufleben lassen. Dabei ist es völlig irrelevant, ob der Jungmusiker die erste Trompete oder die Triangel spielt. Jedoch ist jeder Anfang schwer und die richtigen Töne müssen getroffen werden. Insofern kommt hier die Frage auf, wie sich die Stimmung des Nachbarn verändert. Immer wieder kommt es mit dem Nachbar wegen des Musizierens zum Streit, und auch die Gerichte werden angerufen.
Nach einem Beschluss des Landgerichts Freiburg ist etwa Schlagzeug-Spielen je eine Stunden vormittags und nachmittags erlaubt (Az.: 4 T 20/03) und nach 19 Uhr ganz zu unterlassen (Landgericht Nürnberg, Az.: 13 S 5296/90). Ein Akkordeon darf nach einem Urteil des Landgerichts Kleve (Az.: 6 S 70/90) täglich 90 Minuten gespielt werden. Die meisten Gerichtsentscheidungen gibt es zum Klavierspielen. Die Bandbreite, wie lange man spielen darf, reicht von eineinhalb bis drei Stunden pro Tag. Meistens darf nur wochentags bis 20 Uhr beziehungsweise an Sonn- und Feiertagen bis 19 Uhr gespielt werden. Steht in der Hausordnung auch noch eine Mittagsruhe, so muss diese eingehalten werden.
Grundsätzlich gilt: Ein komplettes Verbot, zu Hause zu musizieren, ist unzulässig. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Hausmusik eine übliche Freizeitbeschäftigung ist, die aus der maßgeblichen Sicht eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ in gewissen Grenzen hinzunehmen ist. Musik kann einen wesentlichen Lebensinhalt bilden und gehört wie viele andere übliche Freizeitbeschäftigungen auch zur grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Auf der anderen Seite soll die eigene Wohnung die Möglichkeit zur ungestörten Ruhe und Entspannung bieten.
Der Ausgleich zwischen diesen widerstreitenden nachbarlichen Interessen kann letztlich nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens erreicht werden. Wie die zeitliche Regelung im Einzelnen auszusehen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Ausmaß der Geräuscheinwirkung, der Art des Musizierens und der örtlichen Gegebenheiten. Grober Richtwert sind zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils außerhalb der üblichen Ruhezeiten in der Mittagszeit und nachts. Auch ein nahezu vollständiger Ausschluss des Musizierens für die Abendstunden und am Wochenende kommt nicht in Betracht, denn gerade abends und am Wochenende finden Schüler Zeit zum Musizieren (BGH, Urteil vom 26.10.2018, V ZR 143/17).
Nachbarn sollten grundsätzlich Rücksicht nehmen und bei Verdruss erstmal ein konstruktives Gespräch suchen. Eltern musizierender Kinder sollten auf ihre Nachbarn zugehen.
Gemeinsam lassen sich dann oft leichter Kompromisse finden. Auf jeden Fall sollten Eltern ihren Kindern Musik nahebringen. Und wenn die Kinder dann schön singen und ihr Instrument beherrschen, wird es auch den ein oder anderen Nachbarn erfreuen.
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Autorin:
Astrid Nastasi arbeitet seit 1981 als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familienrecht, seit 1996 als Fachanwältin für Arbeitsrecht.
http://www.rae-nastasi-wrede.de
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