Eine Mutter spricht zu ihrer Tochter, die genervt zur Seite blickt
Pubertät – Tipps für Eltern

08.07.2024

Die Zeit der Pubertät bzw. Adoleszenz bedeutet große Veränderung auf emotionaler, psychischer
und körperlicher sowie hirnorganischer Ebene für das Kind. Hormone stoßen die körperliche Entwicklung in der Pubertät an. Auch das Gehirn wird zur „Großbaustelle“ infolge komplexer Prozesse in der Neu- bzw. Reorganisation verschiedener Hirnregionen. Der Umbau geschieht in unterschiedlichen Phasen und zu unterschiedlichen Zeiten mit Auswirkungen des jungen Menschen auf seine Verhaltensweisen und somit auch auf das soziale Leben im Miteinander.

Denkt man zum Beispiel an nur zwei Hirnareale, den präfrontalen Kortex und das limbische System, unter anderem zuständig für die Impulskontrolle, analytisches Denken, die Regulierung von Gefühlen wie zum Beispiel Wut und Angst, dann ist nachvollziehbar, dass diese Hirnregionen im Umbau befindlich, keinen großen Spielraum lassen für das Zurückgreifen auf rationales, risikoabschätzendes, selbstregulierendes und analytisches Denken, Handeln und Fühlen. Auch ein Hormon sollte zur Veranschaulichung in der Komplexität des Umbaus benannt werden, nämlich das Melatonin als Schlafhormon. Dieses wird in der Pubertät um circa zwei Stunden verspätet ausgeschüttet mit der Folge, dass Pubertierende abends schlicht nicht ins Bett finden und morgens nicht raus. Spätestens jetzt wird deutlich, dass sich Eltern in der Begleitung ihrer Kinder in dieser turbulenten Zeit auch zwischendurch gerne entspannt und mit Zuversicht zurücklehnen dürfen. Nämlich mit dem Wissen, dass es sich um völlig normale und notwendige Umbauprozesse handelt, im Übergang zum Erwachsenenleben, hin zur Entwicklung stabiler kognitiver und emotionaler Fähigkeiten.

Die bedeutende Umbruchszeit der Adoleszenz des Kindes setzt meistens gleichzeitig auch bei Eltern Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in Gang, die sich in der Regel genau dann, ebenfalls in einer bedeutenden Zeitphase der Lebensmitte befinden. So gesehen durchlebt das gesamte Familiensystem einen gewissen Umbruch, sowohl im Persönlichen, mit unterschiedlichen Zukunftsperspektiven, als auch im Gemeinsamen, nämlich dem Meistern neuer beziehungsverändernder Entwicklungsaufgaben zwischen Kindern und ihren Eltern.

Das bislang vertraute und überwiegend harmonische Beziehungsgefüge scheint nun fast über Nacht erschüttert. Die wohlvertraute liebevolle Bindung zueinander wirkt bedroht und zeigt sich nun durch teilweise sehr geräuschvolle, heftige Auseinandersetzungen und emotionalen Ausbrüche im Umgang miteinander. Dabei kommt es Eltern häufig so vor, dass Diskussionen und Proteste schlicht nicht enden wollen und mitunter anschließendes eisiges Schweigen, Verschlossenheit und Rückzug das bis dato bekannte funktionierende familiäre Gleichgewicht aus den Fugen zu bringen scheint. Die damit einhergehenden Sorgen und Nöte um das Kind und um die Beziehung zueinander, lösen nicht selten Gefühle der Verunsicherung und Überforderung bei Eltern und dem Kind aus. Gegenseitig erlebte Enttäuschungen erschweren das Miteinander zusätzlich.

In der Entwicklungsphase der Adoleszenz beginnen Kinder und Jugendliche in gewisser Weise mit deren sozialen Umfeld zu experimentieren, indem sie ihre Grenzen ausprobieren und ihre Macht- und Entscheidungsfreiheiten ausschöpfen. Dabei hinterfragen sie häufig die bislang gültigen Werte und Normen der eigenen Familie, sowie die Werte der Erwachsenenwelt im Allgemeinen. Für die Eltern wirkt es, als scheint das Verhalten der Kinder ein bewusstes Agieren dahingehend zu sein, eine soziale und emotionale Distanz zu den eigenen Eltern herzustellen. Es wirkt so, als habe die bislang tragfähige Bindung und Nähe zueinander, in dieser Phase für die Kinder keine Bedeutung mehr. Dies kann für Eltern teilweise sehr schmerzvoll und angstauslösend, aber auch verwirrend sein und eine gewisse Orientierungs- und Hilflosigkeit auslösen.

Auch Eltern beginnen im Umgang mit ihren Kindern zu experimentieren, in dem Empfinden, den Einfluss auf das eigene Kind immer mehr zu verlieren. Dabei reagieren sie nicht selten mit einem Wechsel von starr ausgerichtetem autoritärem Verhalten, bis hin zur Nachgiebigkeit und vollständigem Rückzug.

Die Adoleszenz ist in der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen insbesondere die Phase, in der sie eine eigene Identität und Persönlichkeit entwickeln und damit die ersten Schritte gehen, auf dem Weg der Selbstständigkeit. Zudem stoßen Hormone die körperliche Entwicklung in der Pubertät mit an, infolge dessen das Gehirn der Kinder einer „Großbaustelle“ gleicht. Diese Entwicklung geschieht in unterschiedlichen Phasen, zu unterschiedlichen Zeiten und ist nicht linear vorhersehbar oder planbar. Beispielsweise wird das Hormon Melatonin (Schlafhormon) in der Pubertät ca. zwei Stunden verspätet ausgeschüttet mit der Folge, dass der junge Mensch abends schlicht nicht ins Bett findet und morgens nicht rauskommt.

In dieser intensiven Orientierungsphase und Selbstfindung entstehen bei den Kindern viele Fragen und Anliegen, für die sie jedoch häufig die Antworten nicht mehr bei den Eltern suchen, sondern durch den Austausch und die Erfahrungen im Miteinander mit Gleichaltrigen in der Peergroup bekommen. Hier suchen sie Sicherheiten zur Orientierung auf dem Weg zur eigenen Identität und Autonomie. Das bedeutet aber nicht, dass Kinder ihre Eltern als Bindungspersonen verlieren möchten, im Gegenteil.

Eine sicher erlebte Bindung zu den Eltern, gerade in dieser Zeit, ermöglicht erst den Kindern einen förderlichen Prozess zur Autonomieentwicklung. Besonders durch einen sicheren und vertrauten Kontext in der Familie kann es für sie möglich werden, sich gegenüber neuen Situationen mutig und aufgeschlossen zu zeigen, sich auszuprobieren und Grenzen zu testen. Diese Erfahrungen stellen für das Kind einen wichtigen Entwicklungs- und Lernprozess dar, um eigene Werte und Normen gewinnen und eine unverkennbare Persönlichkeit und Identität entwickeln zu können.

Auch wenn es für Eltern mitunter so wirkt, als wollten die Kinder diese Bindung zu ihnen aufgeben, möchten sie ihre Eltern als wichtige Vertrauenspersonen gerade nicht verlieren, es ändert sich allerdings die Beziehung zueinander. Dabei geht es um ein neues Gleichgewicht im Miteinander, was in der Regel zu Machtverschiebungen führt. Die Umgestaltung der Beziehung zueinander ist dann eine gemeinsame Entwicklungsaufgabe, um in ein familiäres Gleichgewicht hineinwachsen zu können. Aus Sicht der Eltern wird der Schwerpunkt im Umgang mit den Kindern von der Erziehungsarbeit mehr und mehr auf die Beziehungsarbeit gelegt.

Für Eltern ist es daher wichtig ihren Kindern mehr Erlaubnis bzw. altersgemäße, schützende und stabilisierende Grenzen zur Verfügung zu stellen. Der Wunsch nach Abstand und Abgrenzung sollte ernstgenommen und akzeptiert werden, bei gleichzeitigem Angebot an Bindung und Kontakt. Durch das Ermutigen zum eigenen Denken, Fühlen und Handeln, können Eltern ihre Kinder auch weiterhin wohlwollend begleiten und bieten außerdem Orientierung und Sicherheit. Mit dem Wissen um den Prozess der hirnorganischen Veränderungen bei den Kindern, kann diese turbulente Zeit für Eltern durchaus mit Zuversicht und einer gewissen Entspannung gesehen werden, da es hier um völlig normale und notwendige Umbauprozesse geht.

Die Zeit der Pubertät ist für alle Familienmitglieder eine aufregende Zeit, die es insbesondere im Umgang miteinander mitunter neu zu gestalten und zu besprechen gilt, um das Familienzusammenleben zu erleichtern. Um Kinder auf dem Weg zu einem stabilen Selbst in guter Ablösung zu begleiten und um Eltern zu befähigen mit einer gesunden Portion Gelassenheit und Vertrauen Entwicklungs- und Veränderungsprozesse zuzulassen, können die folgenden Punkte hilfreich sein:

• Kinder und Jugendliche brauchen in dieser Phase Eltern, die ihnen Orientierung geben mit Präsenz und Verlässlichkeit
• Sie dürfen und müssen Grenzen setzen, manche müssen dringend und immer wieder neu verhandelt werden
• Offene Kommunikation als Zeichen der Verbundenheit im Jugendalter sollte respektvoll und authentisch gestaltet werden
• Bleiben Sie mit ihrem Kind über seine Vorstellungen und Werte im Gespräch, aber auch im Benennen eigener Standpunkte. Sie sollten ehrlich interessiert und wertschätzend sein
• Reden und verhandeln Sie mit ihrem Kind, suchen Sie gemeinsam nach Lösungen
• Streiten und Verhandeln bedeutet nicht, sich nicht mehr zu lieben sondern in einem lebendigen Dialog zu stehen
• Fördern und genießen Sie mit ihrem Kind gemeinsame Zeiten, Aktivitäten, wie zum Beispiel gemeinsames Frühstück, Mittagessen, Kinobesuch, Stadtbummel etc.
• Zeigen Sie Offenheit und Transparenz ihrem Kind gegenüber
• Respektieren Sie die Privatsphäre ihres Kindes
• Begegnen Sie ihrem Kind empathisch und zeigen Sie Zuneigung
• Halten Sie sich mit Ironie und Sarkasmus zurück, denn das trifft Kinder besonders hart
• Arbeiten Sie als Elternteam zusammen
• Achten Sie auf eine gute (elterliche) Selbstfürsorge
• Schaffen Sie sich Freiräume, Distanz und Gelassenheit für pubertierendes Geschehen
• Denken Sie daran, dass die eigentliche Grundlage der Beziehung zwischen Kind und Eltern vor der Pubertät gelegt wurde – haben Sie in diese Beziehung Vertrauen.

Wenn Sie als Eltern oder Ihr Kind dennoch Hilfe und Unterstützung benötigen, kann die Erziehungsberatungsstelle ein guter Ort sein, um die eigenen Anliegen platzieren und miteinander oder im Einzelkontakt besprechen zu können.

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Johanna Wagner-Volkmann

Autorin:
Johanna Wagner-Volkmann, Dipl. Sozialpädagogin und Erziehungsberaterin, ist Mitarbeiterin des Familienzentrums Darmstadt im Bereich Erziehungsberatung
www.familienbildungdarmstadt.de

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