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30.03.2021
Stillen ist die natürlichste Sache der Welt, doch wie sieht das die Allgemeinheit in Deutschland?
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unter mehr als 2000 Deutschen ergab kürzlich: 48 Prozent der Deutschen ist es unangenehm, Mütter beim Stillen in der Öffentlichkeit zu sehen. 77 Prozent der Frauen fühlen sich selbst dabei unwohl, ihrem Kind an öffentlichen Orten die Brust zu geben.
Die Zulässigkeit des Stillens von Säuglingen in der Öffentlichkeit ist in Deutschland durch öffentlich-rechtliche Vorschriften selbst nicht explizit geregelt, das heißt weder ausdrücklich verboten noch ausdrücklich erlaubt. Damit ist auch das Stillen in Gaststätten zunächst einmal unbedenklich, wäre da nicht das Hausrecht des Gastwirts. Von seinem Hausrecht kann der Gastwirt ohne Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot jedenfalls freien Gebrauch machen, wenn es noch nicht zu einem Bewirtungsvertrag zwischen Gastwirt und stillender Mutter gekommen ist. Sofern dies jedoch der Fall ist, ist ein Hausverbot gegenüber der stillenden Mutter nur noch bei Vorliegen besonders gewichtiger Sachgründe zulässig. Ist eine vertragliche Regelung über die Zulässigkeit des Stillens getroffen worden, so ist diese Regelung maßgeblich. So dürfen auch Kaufhäuser und Museen das Stillen untersagen.
Stillen am Arbeitsplatz
Zum Januar 2018 ist das Mutterschutzgesetz (MuSchG) in Kraft getreten. Dieses regelt unter anderem den Schutz des Stillens während der Erwerbstätigkeit. Das MuSchG gilt für alle Frauen in einem Beschäftigungsverhältnis, unabhängig davon, ob dieses befristet, geringfügig, in Teilzeit oder auf Probe ausgeübt wird und berücksichtigt auch Bundesfreiwilligendienste sowie Studentinnen und Schülerinnen.
Laut MuSchG hat die stillende Frau einen Anspruch auf Freistellung während der Arbeitszeit für die zum Stillen erforderliche Zeit, mindestens jedoch zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich eine Stunde. Arbeitet die stillende Frau mehr als acht Stunden am Tag zusammenhängend, dann ist die Freistellung von mindestens 45 Minuten zweimal täglich oder eine Pause von mindestens 90 Minuten vorgesehen. Durch diese Freistellung darf der stillenden Frau kein Entgeltausfall entstehen. Dieser Anspruch auf bezahlte Freistellung ist auf die ersten zwölf Monate begrenzt.
Davon abgesehen muss der Arbeitgeber während der gesamten Stillzeit eine unverantwortliche Gefährdung für die stillende Frau und das Kind ausschließen. Es gilt ein Diskriminierungsverbot für stillende Frauen. Eine Beschäftigung nach 22 Uhr ist grundsätzlich verboten. Für Schülerinnen und Studentinnen ist die Schutzfrist im Gegensatz zu Beschäftigten nicht verbindlich. Die Schule oder Hochschule darf die stillende Schülerin oder Studentin ihre Ausbildung fortsetzen lassen, wenn sie dies ausdrücklich verlangt. Sie darf die Erklärung jedoch jederzeit widerrufen.
In Heimarbeit beschäftigte Frauen sind für ihre Arbeitsbedingungen grundsätzlich selbst verantwortlich. Die Regelungen zum Gesundheitsschutz gelten bei ihnen daher nur teilweise. Sofern die Arbeitsbedingung der Frau im Einflussbereich des Arbeitgebers stehen, so muss er die besonderen arbeitszeitlichen Regelungen für stillende Frauen einhalten und unverantwortbare Gefährdungen ausschließen.
Gesunde Milch und Beikost
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, dass in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten die Babynahrung aus Muttermilch bestehen soll. Wenn nicht gestillt werden kann oder wird, können Muttermilchersatzprodukte für gesunde reif geborene Säuglingen gefüttert werden. Frühestens ab dem fünften Lebensmonat soll die Ernährung mit Muttermilch oder Muttermilchersatzprodukten durch Beikost ergänzt werden.
Die Herstellung von Babynahrung stellt nicht nur hohe Anforderungen an Produzenten und Landwirte, sondern an die Qualität und Erfahrung eines Labordienstleisters, da sie der ständigen Kontrolle unterliegen. Durch den Gesetzgeber werden Säuglinge und Kleinkinder als besonders schützenswerte Bevölkerungsgruppe angesehen, da das Verhältnis von Nahrungsaufnahme zu Körpergewicht in keinem anderen Lebensstadium so groß ist. Mögliche toxische Rückstände durch den Anbau und Produktion sind entsprechend stärker zu reduzieren als dies für andere Lebensmittel notwendig ist.
Um Pestizid-Rückstände schon bei der Herstellung einzuschränken, werden häufig ökologisch erzeugte Lebensmittel eingesetzt. Insbesondere für Babynahrungen sind zudem detaillierte Vorgaben in der Diätverordnung gegeben, welchen Nährstoff- und Vitamingehalt die zumeist als ausschließliches Lebensmittel verwendeten Nahrungen, erfüllen müssen.
Relevante Rechtsgrundlagen und Richtlinien finden Sie hier:
Richtlinie 2006/141/EG der Kommission
(Säuglingsanfangs- und Folgenahrung)
Richtlinie 2006/125/EG der Kommission
(Getreidekost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder)
Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates (Höchstgehalt an Pestizidrückständen)
Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission (Kontaminierungsverordnung)
Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission (mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel)
Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Diät-Verordnung
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Autorin:
Astrid Nastasi arbeitet seit 1981 als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Familienrecht, seit 1996 als Fachanwältin für Arbeitsrecht.
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