Man sieht das Händchen von einem schwarzen Kind in den weißen Händen seiner Eltern

© Drobot Dean – stock.adobe.com

Adoption und Pflegekinder

von Yvonne Antoni – 01.10.2023

Es gibt die unterschiedlichsten Beweggründe, ein Kind aufzunehmen. Manche Eltern möchten einem weiterem Mädchen oder Junge Liebe und Geborgenheit schenken. Ebenso kann ein unerfüllter Kinderwunsch die Motivation für Adoption oder Pflegschaft sein.

Auch für gleichgeschlechtliche Paare oder alleinstehende Personen eröffnet sich so die Möglichkeit, eine Familie zu gründen. Generell lässt sich wohl sagen, dass dies für alle Beteiligten eine herausfordernde Aufgabe ist. Mit viel Geduld, Liebe und Vertrauen kann so eine neue Familie zusammenwachsen.

Unterschied Adoption und Pflege kurz erklärt
Bei einer Adoption haben die Adoptiveltern sämtliche Rechte und Pflichten, wie zum Beispiel das Sorgerecht und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind. Das adoptierte Kind hat die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes, zum Beispiel hinsichtlich Erbansprüchen. Eine Adoption bedeutet die dauerhafte Weggabe beziehungsweise Annahme eines Kindes.

Pflegekinder bleiben rechtlich die Kinder ihrer leiblichen Eltern. Diese haben auch meist das Sorgerecht, sofern es ihnen nicht entzogen wurde. Pflegeeltern erhalten den notwendigen Unterhalt für die Pflege und Erziehung des Kindes vom Staat. Zu ihrer Aufgabe gehört (über das Jugendamt) Kontakt zu den leiblichen Eltern zu halten und auch gemeinsame Treffen zu besuchen. Allerdings erhalten Pflegeeltern bei Langzeitpflege die Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens ihres Pflegekindes.

Die ersten Schritte
Ein Kind aufzunehmen, ist eine verantwortungsvolle und lebensverändernde Entscheidung. Dabei ist es wichtig, dass man gut beraten und unterstützt wird. Die erste Anlaufstelle für eine Adoption oder Pflegschaft ist das örtliche Jugendamt, das meist über eine eigene Adoptionsvermittlungsstelle und einen Pflegekinderdienst verfügt.

Hessen hat gemeinsam mit Rheinland-Pfalz die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle (GZA). Die GZA berät und führt auch internationale Adoptionsvermittlungsverfahren durch. Außerdem unterstützt sie bei der Herkunftssuche.

Neben dem Jugendamt gibt es noch freie Träger, Organisationen und Privatpersonen, die Familien, die ein Kind aufnehmen möchten oder bereits angenommen haben, beraten und begleiten.

„Der Prozess bis zur Anerkennung der ersten Adoption kann bis zu zwei Jahren dauern. Ab dem Moment in dem man sicher ist, ein Kind adoptieren zu wollen, geht man schwanger damit. Die bürokratischen Hürden nach der Anerkennung durch das Jugendamt sind sehr umfangreich und anstrengend. Wenn dann alle Papiere fertig sind, beginnt die Wartezeit, die sehr belastend werden kann“, erzählt Christine Dauterich, die gemeinsam mit ihrem Mann drei Kinder in Sri Lanka, Deutschland und Vietnam adoptiert und noch zwei leibliche Kinder und ein Pflegekind hat. Sie sagt außerdem, „dass die Partner sich absolut einig sein müssen in der Entscheidung, diesen Weg zu gehen.“ Zu keiner Zeit habe man jedoch Ängste vor der Eltern-Rolle, da man sich mehr vorbereitet als beim leiblichen Kind.

„Die Belastung während des Adoptionsprozesses empfand ich als sehr groß. Das ständige Auf und Ab, klappt es, klappt es nicht, bis zuletzt, bis das Kind angekommen ist. Das ist irgendwie unmenschlich. Außerdem war die Hinhaltetaktik des Jugendamts sehr belastend: Wir waren das erste Paar im Landkreis Ostallgäu, das sich für eine Auslandsadoption entschied. Also lieber ablehnen, bevor man einen Fehler macht, so die Haltung des Jugendamts – obwohl sie uns für geeignet hielten.“ (Renate Eberle hat in den 90er Jahren drei Kinder aus Sri Lanka und ein Kind aus Vietnam adoptiert)

Der Vermittlungsschwerpunkt liegt bei der Adoption von Stiefkindern und von Kindern aus dem Ausland. Denn nach wie vor ist die Zahl der Eltern, die ein Kind adoptieren möchten, erheblich höher als die der potenziellen Adoptionskinder. Ende 2016 kamen beispielsweise auf jedes zu adoptierende Kind acht mögliche Adoptiveltern.

Bei einer Auslandsadoption kommen neben den Reisekosten einige Gebühren für die Übersetzungen, das Gerichtsverfahren und die Gutachten auf die Adoptionswilligen zu.

Pflege
Die Chancen, ein Pflegekind aufnehmen zu können, sind wesentlich höher als bei der Adoption. Bei der Pflegeschaft handelt es sich entweder um eine zeitlich befristete Erziehungshilfe für eine überforderte Familie oder eine auf Dauer angelegte Maßnahme.

Pflegekinder können sowohl von Alleinstehenden als auch gleichgeschlechtlichen Paaren vermittelt werden. Das Jugendamt informiert Interessierte darüber, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, um ein Pflegekind aufzunehmen. Zudem prüft es, ähnlich wie bei der Adoption, anhand verschiedener Kriterien, ob man für diese herausfordernde Aufgabe geeignet ist. Außerdem bietet es Pflegeelternschulungen und Seminare an, die darauf vorbereiten.

Pflegeeltern müssen sich darauf einstellen, sowohl mit dem Jugendamt als auch mit den leiblichen Eltern im regelmäßigen Kontakt zu stehen. Auch kann es passieren, dass die Herkunftsfamilie das Kind wieder aufnimmt, wenn sich ihre Situation verbessert hat.

Zusammenwachsen als Familie
Egal ob Pflege oder Adoption: Kinder, die aus den unterschiedlichsten Gründen vorübergehend oder dauerhaft ihre biologische Familie verlassen (müssen), können so Liebe und Geborgenheit erfahren. „Man hat viel Zeit, sich auf die Elternrolle vorzubereiten. Die Entscheidung ein Kind zu adoptieren und der Adoptionsprozess dauern mindestens so lange wie eine Schwangerschaft“, meint Christa Mohn-Müller, die in den 1990er Jahren zwei Mädchen aus Sri Lanka adoptiert hat. Und die Wartezeit, bis den Bewerbern ein Kind vorgeschlagen wird, kann dann nochmal mehrere Jahre dauern.

Adoptions- und Pflegeeltern müssen sich bewusst sein, dass sie vor einer großen Aufgabe stehen. Denn sowohl Pflege- als auch Adoptivkinder haben eine „Vorgeschichte“.

Sie haben oft schon traumatische Dinge erfahren. Sie brauchen deshalb viel Zuwendung und oft auch eine individuelle Förderung. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sie in eine verständnisvollen und empathischen Familie aufgenommen werden. Eine liebevolle Begleitung wird ihnen helfen, besser mit ihrer Situation umzugehen.

Eine Pflegemutter gibt folgenden Tipp: „Man soll die ‚Macken´ des Kindes nicht der Herkunftsfamilie zuschreiben, aber Verständnis für merkwürdiges Verhalten haben. Dies nicht als Entschuldigung, aber zum Verstehen nutzen und vieles nicht persönlich nehmen.“ Außerdem sagt sie, man solle „einfach Familie sein und den Bedürfnissen des Kindes folgen.“

Ein Pflegekind wird aus einer Familie genommen, weil die Eltern aus den unterschiedlichsten Gründen mit der Verantwortung für ein Kind überfordert sind. Die Kinder sind oft vernachlässigt und haben mitunter schon körperliche und psychische Gewalt erfahren. Sie gehören zu zwei Familien, die sich bestenfalls zum Wohl des Kindes akzeptieren.

Anja, die eine vierjährige Pflegetochter hat, berichtet: „Groß vorbereiten kann man sich darauf nicht. Das Beste ist, einfach mitzuschwimmen. Denn ganz wichtig ist die Erkenntnis, dass man selber jeden Tag dazu lernt. Wir als Erwachsene haben den Vorteil, dass wir Situationen erkennen können. Wenn ein Kind in einer Situation feststeckt, braucht es von uns Erwachsenen sehr viel Verständnis, Geduld und Ruhe, um es zu unterstützen.“

Quellen und Links:
www.familienportal.de
www.lsjv.rlp.de
www.familienatlas.de
Broschüre des Bundesminsteriums für Familie, Senioren Frauen, und Jugend:
„Adoption – Was ist neu?“
https://www.fr.de/rhein-main/kinder-haben-hessen-neue-
eltern-gefunden-11016938.html

 

Anzeige

Anzeige

Weitere interessante Beiträge für dich:

Pflegekinder in der Pubertät

Pflegekinder in der Pubertät

In der Pubertät stehen Pflegekinder vor besonderen Herausforderungen. Identitätsfragen, Loyalitätskonflikte und Unsicherheit prägen diese Zeit.

Pin It on Pinterest

Share This