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01.10.2023
Niemand mag es, alle tun es: Streit kommt in den besten Familien vor – und das ist gut so. Streiten und Versöhnen sind natürlicher Teil unseres Zusammenlebens, ob analog oder digital.
Je eher wir lernen, mit Emotionen, Bedürfnissen und anderen Meinungen umzugehen, desto besser gelingt unser soziales Miteinander. Analog UND digital.
Das auszuhalten ist nicht immer leicht, gerade Eltern geraten da schnell an Grenzen. Doch in Zeiten von Hate Speech und Stimmungsmache in den Sozialen Medien ist ein gesundes Konfliktlösungsverhalten wichtiger denn je. Und das lernen Kindern vor allem innerhalb ihrer Familien. Sie schauen sich ganz genau ab, wie wir streiten, welche Wörter wir in welcher Tonlage und Lautstärke verwenden, welche Gesten, welche Beleidigungen.
Ob Wut kontrolliert oder im Keim erstickt wird. Ob ein „Nein“ respektiert wird. Und vor allem: Ob sich hinterher wieder alle vertragen und gemeinsam lachen können, weil es ja immer um die Sache geht, nie um Liebesentzug.
Die Basis dafür bietet eine offene und respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe. Es muss geübt werden, sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen und dessen Beweggründe zu verstehen. Andersherum muss es erlaubt sein, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und zu sagen, was einem nicht passt. Da fallen im Streit schon mal Worte, die man hinterher bereut und für die man sich besser entschuldigt.
Doch genau darum geht es: Um Worte im emotionalen Wechselspiel aus Kontrolle und Wut. Um konstruktives Streiten. Um die Frage: Worum geht‘s denn wirklich bei dem Streit? In Chatgruppen beschleicht mich mitunter der Verdacht, dass es gar nicht mehr um die Sache und Argumente geht (ungerechte Schulnote, ausgefallene Trainingszeiten, unglückliche Festplanung), sondern der eigene Frust sein Ventil sucht. Das mag okay sein, solange es beim „Sich-Auskacken“ sachlich bleibt, wir alle kennen dieses Gefühl. Das ist verwerflich, wenn Beleidigungen fliegen, Drohungen ausgesprochen werden und es persönlich wird.
Die Grenze zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist fließend, Cybermobbing kann die Folge sein und ist verheerend. Niemand wird gerne Opfer verbaler Attacken, als blöde Kuh, Korinthenkacker, A*loch oder Schlimmeres beschimpft. Genau das gilt es zu reflektieren – und zu vermitteln.
Achten wir also selbst einmal darauf, wie oft wir wen mit welchen Worten beschimpfen, checken wir die eigenen Chat-Verläufe und bleiben bei Konflikten auf Augenhöhe. Und dann sammeln wir mit unseren Kindern kreative Schimpfwörter und Kosenamen (siehe Box). Wetten, dass dann Streiten und Versöhnen leichter fällt?
Autorin:
Ilona Einwohlt ist Autorin und Bildungsreferentin beim MuK (Institut für Medienpädagogik und Kommunikation Hessen e.V.) mit den Schwerpunkthemen Kinder- und Jugendkultur, digitale Lebenswelten und Mädchenbildung.
www.muk-hessen.de
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